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Karim Ghaddab, Renverser la peinture, 2020 (französisch)
Subito Radio, Un entretien avec Sylvain Roche et Jérôme Boutterin, 2019 (französisch)
Gabriele Chiari’s watercolours, 2014 (englisch)
Weaving Colour, Essay written by Clément Dirié, translated from French to English by Charles Penwarden and coedited by the Fondation d’entreprise Hermès and Actes Sud as part of the 2013 Cahier de Résidence (englisch)
Fondation d’entreprise Hermès, Artist's residencies #4, Gabriele Chiari - Holding Textile Hermès, 2013 (französisch)
Éric Suchère, Aquarelle, 2013
Gabriele Chiari, 3 récits en couleur, 2012 (französisch)
François Durif, Un texte pour se souvenir, 2011
Cédric Loire, Surfaces de passage, 2007 (französisch)
Gabriele Chiari, Aquarelle, Zeichnungen nach Aquarellen, 2007
Marielle Barascud, Das Ordnen der Malerei, 2006
Cédric Loire, Kaltes Klares Wasser, 2005 (französisch)
Marielle Barascud, Communiqué de presse, 2005 (französisch)


Marielle Barascud
Das Ordnen der Malerei

Als Gabriele Chiari bei meinem letzten Besuch in ihrem Atelier von neuen Aquarellen, die ich gesehen hatte, sprach, erwähnte sie "das Rote". Ich kannte mindestens zwei rote, welches also? Ihre Antwort in Form einer Geste: beide Hände gerade ausgestreckt, offen, die Handflächen nach oben gerichtet, dann gefaltet, die mimische Geste eines Buches, das man schließt. Eine merkwürdige Art, ein Bild zu beschreiben, vor allem für den, der die Aquarelle von Gabriele Chiari kennt, die nichts Gestisches an sich haben. Es handelte sich um die Geste, die dieses Bild geformt hatte: das Falten des Papierbogens.

Für jede geplante Arbeit erstellt Gabriele Chiari andere, stets reduzierte Produktionsmittel. Technik, Bildträger, Werkzeug werden für eine jede genau gewählt oder erdacht, dann erprobt, verbessert, perfektioniert, um schließlich eingesetzt zu werden.

Ist der Prozess auf den Punkt gebracht, steht vielmehr die Skulptur als die Malerei im Vordergrund. Das Papier wird zuerst reichlich befeuchtet, dann bearbeitet, gefaltet, gepresst, geknittert, geformt. Mit dem Wasser ist die Malerei von Gabriele Chiari in ihrem Element. Das Wasser bearbeitet zuerst das meist starke Papier, dann nimmt es die Farbsubstanz auf. Es löst, kanalisiert und zerstreut sie seiner Natur gemäß. Es wird das Gedächtnis der Arbeit der Künstlerin tragen. In einer geronnenen Linie, einer Art dripping, fern von jenem von Pollock - es hat weder etwas Unmittelbares noch etwas Direktes, arbeitet aber auch mit dem Raum und der Zeit - zeigt sich die charakteristische Eigenschaft dieser Liquidität: man kann sie noch immer fließen sehen.

Der Zufall kann eingreifen, oder auch nicht. Wesentlich ist, dass er dem Fluss folgen, die Bewegung festhalten kann. Am Ende steht kein Gemütszustand dem Thema gegenüber. Ist das Blatt trocken, wird es erneut befeuchtet, dann gespannt, um seine ursprüngliche Form wiederzugewinnen.

Diese komplexe Umsetzung dient einem minimalen Resultat. Der Atelierraum trägt ebenfalls dazu bei. Alles ist dort für die Zeit der Malerei, ihren Rhythmus, ihren Atem, ihre Energie angeordnet. Der Eindruck entsteht, dass die Malerei Leere um sich schafft, um daraus zu schöpfen, lediglich das Wesentliche behaltend. Das Alphabet den Worten bevorzugen.

Der minimale Charakter der Aquarelle widerstrebt der photographischen Aufnahme. Anfangs stellte sich Gabriele Chiari der Herausforderung, diese über den Umweg kleinformatiger Zeichnungen zu reproduzieren, die sie anschließend scannte, um diese technische Schwierigkeit zu umgehen. Auf Bristolkarton gezeichnet, verlieh sie diesen die Präzision des Rasterverfahrens und gleichzeitig den Realismus der Illusion. Indem diese Entscheidung systematisch wurde, fanden sie einen eigenen Stellenwert. Nach und nach materialisierten sie die Distanz, die die Künstlerin gewonnen hatte, um diese reproduzieren zu können, als eine Art Janusbild eines Akteurs/Betrachters. Obwohl auch sie durch den Rhythmus ihrer Fabrikation die Malerei nähren, bringen diese Zeichnungen eine gewisse Verschiebung auf. Die Künstlerin findet durch die Zeichnung, einer graphischen Technik, den „Beweis“ des Aquarells. Merkwürdiger Weise wird die Disziplin, die zu ihrer Ausführung nötig ist, die Freiheit der Aquarelle rückwirkend ermöglichen.

Von den großformatigen Malereien bis zu den kleinformatigen Zeichnungen weiß Gabriele Chiari kraft einer konstruktiven Anordnung eine offenbare Fragilität zu setzen. In den Falten des Papiers, sedimentären Sammelbecken der Farbpulver, betraut sie das Aquarell mit einer neuen Kapazität. An der Oberfläche der Zeichnungen hingegen hält sie das Konzept fest.

Marielle Barascud
April 2006

Katalog des Malereipreises der Stadt Vitry-sur-Seine, 2005-06, S.13.